(Achtung: diese Arbeit ist auch als PDF-Datei verfügbar)

Essay: Aktuelle Probleme der Guggenheim-Stiftung
(Caspar Clemens Mierau)

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zur Vorlesung: „Amerika, Du hast es besser“ von Prof. Dr. Steffen Höhne

 

Vorwort:

Im Folgenden handelt es sich um eine Belegarbeit in Form eines Essays für oben genannte Vorlesung. Dder Text wurde unter Zeitdruck verfasst und entsprach offensichtlich nicht den Ansprüchen des Professors. Nichtsdestotrotz wollte ich ihn nicht völlig auf meiner Festplatte verstauben lassen - es sei aber auf die schlechte Benotung warnend hingewiesen. Als Essay ist dieser Text eher journalistischer Natur.

 

 
Einleitung

 

Spätestens seit der Eröffnung des Berliner Guggenheim Museums im November 1997 ist die weltweit agierende Guggenheim Stiftung auch hierzulande bekannt. Die in den dreißiger Jahren gegründete Stiftung brachte das amerikanische Modell der privaten Förderung, das in Deutschland bisher eine eher weitaus kleinere Rolle spielt als in den USA, so auch spürbar nach Deutschland. Unter der Annahme, dass private Kulturförderung in Deutschland eine zukünftig wichtige Alternative zur staatlichen Unterstützung darbieten könnte, ist es von Interesse, vorab mögliche Hürden zu eruieren. Zu Guggenheim und ihrem Einfluss auf die Kultur wurde bereits vieles publiziert, im Folgenden nun solleneinige aktuelle ökonomische und politische Probleme der Guggenheim Stiftung beleuchtet werden.

Da die Stiftung selbst ihre Pressearbeit hauptsächlich auf die Ankündigungen von Ausstellungen konzentriert, müssen als Gros der Quellen Zeitungsartikel herangezogen werden, die trotz teilweise kontroverser Behauptungen sicher die derzeitigen Tendenzen gut umreißen können. Dabei kann und sollte die Wahl des Beispiels Guggenheim als exemplarisch angesehen werden – viele Problematiken lassen sich mit eventuellen Abstrichen sicher auch auf andere Institute dieser Art übertragen.

 

 

Eine sehr kurze Geschichte der Guggenheim Stiftung

 

1937 gründete der US-amerikanisches Großindustrielle Solomon R. Guggenheim, Sohn eines Schweizer Emigranten, auf Drängen der Malerin Hildegard Rebay von Ehrenwiesen, die den Kupfermagnaten für unbekannte europäische Werke der Avantgarde begeistern konnte, gemeinsam mit seiner Frau Irene die „Solomon R. Guggenheim Foundation“ mit einem Gründungskapital von drei Millionen Pfund. Das Jahr 1937 ist dabei als besonderes Datum anzusehen – genau im Jahr der Ausstellung „Entartete Kunst“ öffnet in den Staaten ein künstlerisches Asyl für Werke verfemter Künstler wie Cézanne, van Gogh oder Kandinsky.[1]

Im Laufe der letzten 70 Jahre etablierten sich daraus fünf feste Guggenheim-Museen. Der Hauptsitz oder schlicht „Das Guggenheim“ befindet sich in einem vom Architekten Lloyd Wright entworfenen, futuristisch anmutenden Gebäude in der New Yorker 5th Avenue, welches 1959 das "Museum of Non-Objective Painting" ablöste. 1979 entstand aus einer Hinterlassenschaft der italienische Ableger „The Peggy Guggenheim Collection“, der sich auf die Sammlung der Nichte Guggenheims konzentriert.[2]

Erst unter der Leitung des Museumsdirektors Thomas Krens vergrößerte sich der Wirkungsgrad der Stiftung erheblich. 1997 öffneten die Museen Guggenheim Bilbao und Deutsche Guggenheim Berlin die Pforten. Die Wahl des baskischen Bilbaos verstand sich dabei als Politikum zum Wiederaufbau der baskischen Metropole. Das Deutsche Guggenheim zeichnet sich durch ein enges Joint Venture der Deutschen Bank und der Guggenheim Stiftung aus. 2001 wurde der aktuell letzte große Ableger, das Guggenheim Hermitage Museum, in einem von Rem Koolhaas entworfenen Gebäude in Las Vegas eröffnet.

Die derzeitigen Aktivitäten der Stiftung konzentrieren sich damit auf den US-amerikanischen und den westeuropäischen Raum. Über die Museumsarbeit hinaus existieren Kooperationen wie mit dem Deutschen Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe, das Kunstausstellungen und Events liefert.[3]

 

 

Interne Machtkämpfe

 

Erst vor einigen Wochen sorgte ein Eklat innerhalb der Führungsspitze der Foundation für Schlagzeilen.[4] Der Vorsitzende des Aufsichtsrats, Peter B. Lewis, gab nach Differenzen mit dem Museumsdirektor Thomas Krens seinen Posten auf. Für die Stiftung bedeutet dies nicht nur den Verlust eines langjährigen Begleiters, sondern auch den Weggang eines der Hauptdonatoren. Über die Jahre hatte Lewis 77 Millionen US Dollar gestiftet.

Der Streit entbrannte sich an Auseinandersetzungen über die Finanzpolitik der Stiftung. Während Lewis auf eine eher konservative Haushaltsplanung drängte, schmiedete Krens Expansionspläne, unter anderem nach Brasilien, Mexiko und Taiwan. Im Jahr 2002 setzte Lewis die Museumsleitung unter Druck und verlangte finanzielle Einsparungen und Umstrukturierungen, was zu Entlassungen und einer vorübergehenden Schließung der Dependance Las Vegas führte[5].

Konnte Lewis sich 2002 noch durchsetzen, scheint der derzeitige Wechsel in der Führungsriege auf eine Änderung der zukünftigen Expansionsstrategie der Guggenheim-Stiftung hinzuweisen. Ob eventuelle Pläne allerdings umgesetzt werden können, hängt nicht zuletzt von den finanziellen Mitteln der Stiftung ab.



 

Finanzielle Engpässe


Die derzeit schwache wirtschaftliche Lage wirkt sich auch in den USA gesamtgesellschaftlich aus. Das „Bureau of Labor Statistics“ meldete für den Januar 5.2% Arbeitslose[6], ein Problem, dessen vielschichtigen Auswirkungen gerade in Deutschland nicht unbekannt sind. Neben einer möglichen negativen Tendenz in den Museums-Besucherzahlen kann die Arbeitslosigkeit auch als Signal dafür gesehen werden, dass der Bereich Sponsoring in Zukunft eine Schwächung erfahren wird.

Ganz konkret lassen sich wachsende Kosten im Personalbereich feststellen. Der Personalbereich, der die größte Belastung im Museumsbetrieb darstellt, steigt kontinuierlich mit wachsenden Abgaben für Krankenversicherungen. Zwar lassen sich Personalkosten durch Streichungen wie 2002 einsparen, für einen geregelten Museumsbetrieb und deren Leitung gibt es jedoch eine kritische Untergrenze, die nicht unterschritten werden kann.[7]

Weltweit sichtbar wurden die finanziellen Probleme der Guggenheim Stiftung durch die zeitweise Schließung des Guggenheim Hermitage Museum Las Vegas. Aufgrund geringer Besucherzahlen war dieser Sitz nur durch eine außerordentliche Spende Lewis in Höhe von zwölf Millionen US Dollar haltbar. Auch dem in der letzten Zeit vieldiskutierten Neubau des New Yorker Museums erging es nicht besser. Bis auf weiteres wird an der Waterfront New Yorks kein neues Guggenheim entstehen.


 

Kulturförderung und Terrorismus

 

Besonders interessant sind die Auswirkungen der aktuellen Sicherheitslage auf den Markt der Kulturförderung. Die Zusammenhänge mögen sich hier nicht aufdrängen wie bei Tendenzen im Ölpreis, dennoch gibt es scheinbar eine direkte „Bedrohung“ der Stiftung durch die Folgen des 11. September.

Bleibt man auf einer abstrakten Ebene, lässt sich eine allgemeine Verschiebung in der Kunstwahrnehmung konstatieren. So findet sich auf der Webseite des offiziellen „Homeland Security Cultural Bureau“ im bereits aussagekräftig betitelten Essay „The Terrorists and the Postmodernists“ der Verdacht formuliert, dass aktuelle postmoderne Kunst geradezu einladend für Terroristen sei. Wer zynisch Kunst mit Fäkalien mache und somit eine Form der inneren Selbstaufgabe betreibe, der müsste nicht überrascht sein, wenn er Attentate herausfordere.[8]

Auch wenn dieses Argument mehr als nur überspitzt ist, zeigt es mögliche gesellschaftlich-kulturelle Reaktionen auf eine Gefahrensituation. Es ist nicht auszuschließen, dass sich die Kunstrezeption vor dem Hintergrund der allgegenwärtigen Terrorangst auf einen konservativeren Kunstbegriff zurückbesinnt und von der experimentellen Avantgarde entfernt.

Für Stiftungen wie Guggenheim, die sich ausdrücklich auf die Förderung moderner Kunst spezialisiert haben, bedeutet dies eventuelle Marketingprobleme. Da ein fortwährender Fluss von Einnahmen in Form von Spenden aber auch Eintrittsgeldern gewährleistet sein muss, ist die gesellschaftliche Schätzung der von ihr geförderten Werke und Künstler von essentieller Bedeutung. Geht man davon aus, dass Kultursponsoring aus unternehmerischer Sicht keine rein altruistische Handlung darstellt, sondern nur eine von vielen Möglichkeiten, sich positiv in der Gesellschaft zu positionieren, kommt der Signalwirkung der Kunst eine tragende Rolle zu. Zwar können sich skandalöse oder umstrittene Kunstwerke unter Umständen in eine gezielte Kommunikation einbeziehen lassen, wahrscheinlicher aber ist eher, dass Wert auf allgemeine Akzeptanz oder zumindest ein nicht negatives Image der geförderten Werke gelegt wird.

Homeland Security

Nach dem 11. September spielt ein neuer Parameter eine tragende Rolle in der Finanzierungsformel amerikanischer Unternehmen und Institutionen: Homeland Security. Staat und Unternehmen müssen in Sicherheitsstandards investieren. Neue Geräte, Personalschulungen und im Extremfall architektonische Veränderungen sind nötig, um der amerikanischen Seele über das Trauma World Trade Center zu helfen und ein Gefühl von Sicherheit zurückzugeben.

Die hierfür notwenigen Summen machen sich für den Kulturbereich doppelt negativ bemerkbar. Einerseits müssen potentielle Sponsoren Ihre Förderungssummen den zusätzlichen Ausgaben anpassen, andererseits erscheinen Ausgaben für Sicherheit gerade im Museumsbereich überraschenderweise als äußerst relevant.

Nach dem Anschlag auf das World Trade Center werden an Museen neue Sicherheitsanforderungen gerade seitens leihender Institutionen gestellt[9]. Man ist nicht bereit, amerikanischen Museen wertvolle Werke zu stellen, ohne dass ein hoher sicherheitstechnischer Anspruch erfüllt wird. Nachdem bekannt wurde, dass beim Einsturz des World Trade Centers auch Kunstwerke im Wert von zehn Millionen US Dollar zerstört wurden, sind verleihende Institutionen verständlich sorgsam bei der Auswahl von Ausstellungsorten. Auch wenn der finanzielle Schaden durch Kunstwerke im Rahmen der Tragödie als nebensächliches Übel erscheint, zeigte die Zerstörung doch ebenso die unwiderrufliche Vernichtung einzigartiger Kulturgüter. Während ein Schaden an Einrichtung und Ausstattung eines Museums kompensiert werden kann, sind zerstörte Bilder und Plastiken zwar durch Versicherungen abgedeckt, hinterlassen aber dennoch eine nicht wieder auffüllbare Lücke.

Genaue Zahlen für Steigerungen in den Versicherungssummen und Mehrausgaben für Sicherheitspersonal und -technik lassen sich durch eine offene Recherche leider nicht ermitteln, jedoch wird in der Fachliteratur das Problem in Bezug auf Museen explizit diskutiert. Es ist anzunehmen, dass auch diese Kosten die Guggenheim Stiftung außerordentlich belasten. Vielleicht ist die zeitweise Schließung des Las Vegas Hermitage gerade ein Jahr nach 2001 kein bloßer Zufall.

Veränderte Architektur

„Buildings may never be the same, says Guggenheim architect” titelte ein Artikel des britischen Independent, als Frank Gehry, der Architekt des Guggenheim Bilbao sich zu den neuen Anforderungen an die Architektur nach dem 11. September äußerte. Nach der kompletten Zerstörung zweier Wolkenkratzer gibt es eine Rückbesinnung auf einen nüchternen Stil, dem das Verspielte weichen muss: „We were happy, we enjoyed ourselves ...That great period has perhaps ended. Now we must think more about safety“. [10]

Gehry, der bereits Pläne für einen Neubau des New Yorker Guggenheims entworfen hatte, dessen Umsetzung mittlerweile eher auszuschließen ist, verweist damit auf die radikalen Änderungen der strukturellen Anforderungen an die Architektur nach dem 11. September. Wolkenkratzer sind Tabu, gesetzt wird auf ernsthaftere Architektur. Die Folgen für Stiftungen sind schwer abzuschätzen. Es lässt sich zumindest vermuten, dass eine publikumswirksame, verspielte Architektur in Zukunft sicherheitsbedachten Konzepten weichen muss. Standort, Baumaterial, Zugänge müssen nun einer Gesamtsicherungsstrategie folgen. Ob durch diese Einschränkungen die Entwürfe der Architekten an Reiz verlieren, wird sich zeigen. Sollte dies der Fall sein, wird die Finanzierung der Gebäude eventuell durch deren verminderte Attraktivität eingeschränkt

Doch unabhängig davon, ob die Finanzierung erschwert wird oder nicht, lässt sich nachweisen, dass die architektonische Außendarstellung der Stiftung in Zukunft auch durch Schutzmaßnahmen optisch geprägt sein wird.

 

 

Zusammenfassung


Auch wenn sich die Guggenheim in ihrer Öffentlichkeitsarbeit recht bedeckt hält, lässt sich aus den Ereignissen der letzten Jahre schließen, dass in der Stiftung derzeit tief greifende Umstrukturierungen im Gange sind.

Diese Änderungen scheinen auf der einen Seite Reaktionen auf äußere Einflüsse wie die veränderte Sicherheitslage zu sein, auf der anderen Seite zeigt die interne Umbesetzung, dass trotz finanzieller Schwierigkeiten auch weiterhin auf eine Expansionsstrategie gesetzt wird. Eine Rückbesinnung auf eine konservativere Vorgehensweise lässt sich demnach trotz möglicher Risiken nicht beobachten. Obwohl einige Einschnitte wie die zeitweise Schließung des Hermitage Las Vegas und dem geplatzten Neubau in New York auf schwierigere Zeiten deuten, stellt die Progressivität vielleicht die beste Möglichkeit dar, auch zukünftig ein robustes institutionelles Rückgrat zu beweisen. Eine globale Verteilung auf weitere Museen bietet zudem mehr Ausstellungsflächen für die gefüllten Archive der Stiftung und ist daher auch kulturell von Interesse.

Dennoch wird Guggenheim sich in Zukunft auch verstärkt mit dem Sujet Terrorismus befassen müssen – und das nicht nur inhaltlich, sondern politisch und ökonomisch. Es werden Entscheidungen anstehen über Museumsneubauten, deren lokale Platzierung und äußere Gestaltung, die sich empfindlich auf die Sicherheit der Ausstellungsorte auswirken können.

 

 

Quellen


[1] Hilmar Hoffmann „Das Prinzip Guggenheim“ in Hilmar Hoffmann (Hg.) „Das Guggenheim-Prinzip“, Köln 1999, S. 12

[2] „Guggenheim Museum History“, elektronisch veröffentlicht unter http://www.guggenheim.org/history.html [Stand: 1. März 2005]

[3] Hilmar Hoffmann „Das Prinzip Guggenheim“ in Hilmar Hoffmann (Hg.) „Das Guggenheim-Prinzip“, Köln 1999, S. 17

[4] Ute Thon: “Peter B. Lewis verlässt Guggenheim New York“, in „art Kunstmagazin“, elektronisch veröffentlicht unter http://www.art-magazin.de/cgi-bin/news/NewsPopup.cgi?NEWS_ID=2945 (Stand: 10.02.2005)

[5] Carol Vogel “Guggenheim Loses Top Donor In Rift on Spending and Vision””, erschienen in NYTimes, January 20, 2005 , Late Edition - Final , Section A , S.1

[6] “Latest Numbers” des “Bureau of Labor Statistics”, elektronisch veröffentlicht unter http://www.bls.gov/ [Stand: 13.2.2005]

[7] James Abruzzo „Managing Museums in Critical Times“, elektronisch veröffentlicht unter http://www.artsmarketing.org/marketingresources/files/Abruzzo%20pdf1.pdf [Stand: 2.3.2005]

[8] Debbie Schmidt :„The Terrorists and the Postmodernists“, elektronisch veröffentlicht unter http://www.hscb.org/res-story-postmodernterror.htm [Stand: 19.2.2005]

[9] Carol Vogel “Fears of Terror A Complication For Art Exhibits” in New York Times, 25.3.2003, elektronisch veröffentlicht unter http://www.nytimes.com/2003/02/25/arts/design/25LEND.html [Stand: 19.2.2005]

[10] Elizabeth Nash “War on Terrorism: Design”, elektronisch veröffentlicht unter
http://www.museum-security.org/01/182.html#2 [Stand: 5.3.2005]