Hausarbeit: Interaktion und Organisation -
Systemtheoretische Modelle organisationalen Wissensmanagements

 
Seminar: Wissensmanagement - Dozent: Dennis Schöneborn

 

Vorwort:

Beim folgenden Text handelt sich um das Fragment einer Hausarbeit. Nach einigen Unstimmigkeiten den Abgabetermin betreffend, sah ich mich leider gezwungen, mitten in der Bearbeitung abzubrechen.

Einleitung

In den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts zeichnet sich eine neue wissenschaftliche Sichtweise auf wirtschaftliche und gesellschaftliche Strukturen ab, die heute in dem Schlagwort "Wissensgesellschaft" einen gemeinsamen Nenner gefunden hat. Bereits 1962 sorgte der Ökonom Fritz Machlup mit seiner Studie "The Production and Distribution of Knowledge in the United States" für Aufsehen, indem er die Produktionsfaktoren Information und Kommunikation als neue Variable in die volkswirtschaftliche Rechnung einführte. Elf Jahre später prägt der Soziologe Bell den Begriff der "nachindustriellen Gesellschaft" und unterstreicht den zunehmenden Einfluss technischer Medien, der den Wandel zum Informationszeitalter initiierte. Ebenso lässt sich in den 1960er Jahren das Aufkeimen der Neuen Institutionenökonomik beobachten , die im Gegensatz zur neoklassischen Mikroökonomik ein Bewusstsein für das Wissen bzw. Nicht-Wissen bei der Modellierung von ökonomischen Prozessen schafft.

Der Einzug des Wissens in die wissenschaftliche Disziplin der Ökonomie fand also zweigleisig und eingebunden in einen größeren Diskurs statt: Auf der einen Seite führten Veränderungen in Produktionsprozessen seit der Industriegesellschaft zu einer zunehmenden Bedeutung von Informationen und Wissen in der sich umstrukturierenden postindustriellen Wirtschaft, auf der anderen Seite ermöglichten neue interpretatorische Ansätze auch eine rückwirkende Neuentdeckung der Bedeutung von Wissen in ökonomischen Vorgängen.

Setzt man schlussfolgernd eine Relevanz von Wissen auf mikro- und makroökonomischer Ebene voraus, ergeben sich unter anderem für die Unternehmensführung neue Fragestellungen, denen in dieser Arbeit anhand ausgewählter Lektüre exemplarisch nachgegangen werden soll. Unter der Voraussetzung, dass Wissen von Bedeutung ist, stellt sich die Herausforderung eines neuen Managements, das die Generierung, Selektion, Speicherung und Verteilung von Wissen effizient fördert.

Eine mögliche Betrachtungsweise stellen hier systemische Managementtheorien dar, die im Unterschied zu strategischen Verfahren nicht von einem Akteur, sondern von einer möglichst „ganzheitlichen“ Betrachtung der Organisation als System ausgehen und daraus eine eher stimulative denn bestimmte Vorgehensweise entwickeln. Im Folgenden werden drei Vertreter dieser (System-)Theorie in einer kurzen Lektüre nebeneinander gestellt und auf ihre pragmatischen Implikationen hin untersucht. Vorangestellt wird zunächst jedoch ein Exkurs zur konstruktivistischen Perspektive der Wissensgenerierung, die für die darauf aufbauende systemische Perspektive prägend ist.


Konstruktivistische Modelle der Wissensgenerierung


Der Radikale Konstruktivismus versucht aus philosophischer Sicht eine Theorie des Beobachters zu entwerfen, wie sie für die Systemtheorie von essentieller Bedeutung ist. Der wohl populärste Vertreter, der österreichische Philosoph Ernst von Glasersfeld, liefert selbst eine der prägnantesten Zusammenfassung dieses Modells:

„Was ist Radikaler Konstruktivismus? Einfach ausgedrückt handelt es sich da um eine unkonventionelle Weise die Probleme des Wissens und Erkennens zu betrachten. Der Radikale Konstruktivismus beruht auf der Annahme, dass alles Wissen, wie immer man es auch definieren mag, nur in den Köpfen von Menschen existiert und dass das denkende Subjekt sein Wissen nur auf der Grundlage eigener Erfahrung konstruieren kann. Was wir aus unserer Erfahrung machen, das allein bildet die Welt, in der wir bewusst leben. Sie kann zwar in vielfältiger Weise aufgeteilt werden, in Dinge, Personen, Mitmenschen usw., doch alle Arten der Erfahrung sind und bleiben subjektiv. Auch wenn ich gute Gründe dafür angeben kann, dass meine Erfahrung der deinen nicht ganz unähnlich ist, habe ich keinerlei Möglichkeit zu prüfen, ob sie identisch sind. Das gleiche gilt für den Gebrauch und das Verstehen von Sprache“

Wissen und Sprache beschreiben also nicht eine objektiv vorhandene Realität, sondern stellen immer die subjektive Meinung des Autors dar. Glasersfeld selbst schlägt daher eine Differenzierung von der Epistemologie vor, um stattdessen „von einer Auffassung des Wissens oder einer Wissenstheorie zu sprechen“. Der Begriff der Wahrheit wird dabei ersetzt durch den der „Viabilität“. Als viabel werden Schlussfolgerungen aus Erfahrungen bezeichnet . So stellt Wissen nicht eine vom Subjekt vollzogene ontologische Erkenntnis einer objektiv vorhandenen Realität dar, sondern einen kontinuierlich an Hindernisse adaptierten Erfahrungsprozess. Wissen muss (und kann) nicht objektiv richtig sein, sondern nur in subjektiver Korrelation zu Erfahrungswerten stehen.


Peter Eberl

Peter Eberl unternimmt ausgehend von der Basisprämisse des Konstruktivismus den Versuch, drei ausgewählte Ansätze der Wissensgenerierung zu reflektieren. Die Leitfragen nach der Unterscheidung von Wissen/Nichtwissen, der Schaffung einer Realitätsgewissheit und der Entstehung von neuem Wissen auf der Basis von altem, bilden dabei den roten Faden, an der sich eine Lektüre der psychologischen Erkenntnistheorie von Piaget, des sozial-konstruktivistischen Modells von Berger/Luckmann sowie des systemtheoretischen Ansatzes von Luhmann orientiert.

Als zentrale These dient Eberl dabei die Vermutung, „dass die Theorie selbstreferentieller Systeme von Luhmann den konsequentesten Ansatz liefert, um das Konstrukt des organisationalen Wissens entsprechend einzufangen, zumal es ihm gelingt, die Probleme der ersten beiden mehr oder weniger stark vom Individuum ausgehenden Ansätze zu überwinden.“ .

Die Assimilations-/Akkommodationsthese von Piaget

Der Schweizer Entwicklungspsychologe Jean Piaget (1896-1980) erarbeitete eine allgemeine Erkenntnistheorie bzw. Theorie der Erkenntnisfähigkeit anhand der Analyse kindlicher Geistesentwicklung. In der Schule der Konstruktivisten wird dabei ein epistemologischer Empirismus abgelehnt und der performative Charakter des Erkennens als aktiver Prozess der Konstruktion in einer interaktiven Beziehung zwischen Subjekt und Objekt konstatiert. Erkenntnisgewinn wird in einer erfolgreichen Handlungskoordination sichtbar, der die Ausbildung einer zunehmend komplexer werdenden kognitiven Struktur zugrunde liegt.

Piaget beschreibt eine duale Erkenntnisstrategie, die sich im Idealfall ausgewogen zwischen Assimilation und Akkommodation bewegt. Unter Assimilation wird die integrative Einpassung neuer Elemente in bereits bestehende Strukturen verstanden. Erst sie ermöglicht die sinnhafte Interpretation der Welt, birgt dabei aber die Gefahr des Autismus. Komplementär dazu arbeitet die Akkommodation, die bei fehlgeschlagener Assimilation eine Veränderung des Assimilationsschemas innerhalb bestimmter Grenzen vornimmt und eine reine Subjektivität der Interpretation verhindern kann. Uneingeschränkte Akkommodation könnte im Gegensatz zur Assimilation das Subjekt zu einer reinen Nachahmung verleiten, es letztlich selbst objektivieren.

Die Kombination von Assimilation und Akkommodation hat also einen Effektiven Zustand der Äquilibration (Gleichgewichtszustand) zum Ziel und ist die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Interaktion zwischen Subjekt und Objekt. Wird das Subjekt durch eine Störung gereizt, die sich nicht durch einfache Assimilation integrieren lässt, also durch den Rückgriff auf bestehendes Wissen bzw. dessen einfacher Erweiterung, stehen die Strategien Ignoranz, Integration und Transformation zur Verfügung.

Eberl unterstreicht in seiner Analyse der Erkenntnistheorie Piagets die durch den Handlungsbezug erreichte Anschlussfähigkeit an die Logik erwerbswirtschaftlicher Organisationen. Wichtiger aber ist, „daß es ihr gelingt, sich von der Annahme zu lösen, daß die Welt, so wie sie ist, in Form von Registrierungsakten erfaßt werden könnte, aber gleichzeitig die Gefahr des Relativismus durch die Möglichkeit des Mißerfolgs von Handlungen begrenzt wird“ .

Dennoch weist die Theorie auch Lücken auf, die besonders aus dem Blickwinkel des organisationalen Wissensmanagements schwer wiegen. Besonders kritisch ist der nach Piaget rein individuelle Wissenserwerb, der gerade die in Organisationen relevante Beziehung des Individuums zum Kollektiv nicht abdecken kann . Ein Versuch eben diese soziale Dynamik einzufangen, unternehmen Berger/Luckmann.

Die Objektivationsthese von Berger/Luckmann

Ausgehend von einer Untersuchung des Wissens der Alltagswelt brechen Berger/Luckmann mit der Vorstellung von Wissen als Repräsentation einer objektiven Realität. Anhand der empirischen Beobachtung einer Wissensvielfalt in den menschlichen Gesellschaften entwickeln sie die These einer sozial konstruierten Wirklichkeit. Paradoxerweise wird dabei das Produzierte als externe Selbstverständlichkeit und nicht als menschliches Produkt angesehen.

Mit den Schritten Externalisierung, Objektivation und Internalisierung entwerfen Berger/Luckmann einen zirkulären Prozess der Wirklichkeitserschaffung. Im Zentrum steht dabei die Objektivation (Vergegenständlichung) subjektiver Konstruktionen durch etwa sprachliche Manifestation. XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX

Der soziale Rahmen erlaubt es, dem Wissen einen intersubjektiven Charakter zu unterstellen, der, im Gegensatz zu Piagets Theorie, vorerst besser geeignet erscheint, die Problematik organisationalem Wissens methodisch anzugehen. Dennoch ergeben sich auch hier nach Eberl Probleme, die eine pragmatische Nutzung der Objektivationsthese konterkarieren. Zum einen ist der Begriff der Intersubjektivität, auf dem letztlich der sozial geprägte Wissensbegriff aufbaut, sehr unscharf und auch mit einem Verweis auf kommunikative Muster sich letztlich nicht vom genuinen Subjekt lösen kann, wie es schon bei Piaget der Fall ist. Trotz dem Versuch einer gesellschaftlichen Einbindung bleiben auch Berger/Luckmann somit am Ich verhaftet.

Zum anderen stellt sich die Frage nach der Beliebigkeit von Wissen. Ausgehend von einer sozialen Konstruktion der Wirklichkeit und dem Nebeneinander verschiedener Wissensschätze, birgt die Objektivationsthese die Gefahr des Relativismus. So kann nicht erklärt werden, warum bestimmtes Wissen nie entsteht, anderes sich aber schnell erfolgreich durchsetzt und zum Beispiel über Generationen hinweg weitergegeben wird. Was fehlt, ist daher ein Erklärungsversuch der nichtsubjektiven Rahmenbedingungen für die Wissens- bzw. Realitätsgenese.

Die Selbstreferenzthese von Luhmann

Der Soziologe Niklas Luhmann setzt im Vergleich zu den vorigen Theorien primär auf der gesellschaftlichen Ebene an, die er auf kommunikative Strukturen zurückführt . Wissen entsteht durch Kommunikation und kann nicht auf einzelne Individuen zurückgeführt werden und gelangt „nur dann zur Verfügung des psychischen Systems, wenn es kommunikativ erzeugt wurde und sich kommunikativ bewährt hat“ . Da soziale Systeme selbst strukturell interdependent an ihre Umwelt gekoppelt sind, versuchen sie, ihrer Umwelt Informationen abzugewinnen und dabei besonders auf Reize aus der Umwelt reagieren.

Textfragmente:


Instrumentalismus!

Wenn Wissen somit nicht objektivierbar ist, wird die Möglichkeit des Wissenstransfers, der für ei

lässt sich beispielsweise fragen wie neues Wissen entsteht und geteilt werden kann . Eine vorläufige Beantwortung dieser nicht zu Unrecht philosophisch anmutenden Fragestellung ebnet den Weg für eine darauf aufbauende pragmatische Beleuchtung möglicher Managementstrategien zur Förderung der Wissensgenerierung und vor allem Nutzung auf unternehmerischer Ebene.

En passant sei an dieser Stelle nur verwiesen auf den Diskurs der Typologisierung des Wissensbegriffs selbst, der bereits auf Aristoteles zurückgeht und auch heute noch sowohl in der philosophischen als auch in der betriebswirtschaftlichen Literatur kontrovers diskutiert wird. Für die folgenden Ausführungen ist die qualitative Beschreibung und Einteilung des Wissens zwar nicht zu vernachlässigen, kann aber in diesem begrenzten Rahmen als periphere Problematik aus dem Focus der Betrachtungen genommen werden.

"Wissen, die rein theoretische Kenntnis im Gegensatz zur praktischen Anwendung, dem Können; das objektiv (logisch) begründete Fürwahrhalten im Gegensatz zum subjektiv begründeten Glauben."

 



 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Quellen